Urbane Bergromantik: Mit der U-Bahn auf die Alm
Alm- und Alpentümelei in Deutschland: Im Winter ziert eine Almhütte das Dach des noblen Münchener Fünfsternehotels Mandarin Oriental. / Bild: Mandarin Oriental
Hüttengaudi und Heurigenstimmung: Für Alpinaffine haben deutsche Metropolen wie Hamburg und Berlin Gastronomie auf Österreichisch zu bieten. Falls beim Städtetrip wirklich einmal Heimweh aufkommt.
Die Presse)
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Die alpine Gastronomie ist ein völlig unterschätztes soziologisches Phänomen. Auf Almen und in Hütten geschehen Dinge, die im normalen städtischen Alltag völlig undenkbar sind: Menschen, die nichts, aber auch wirklich nichts gemeinsam haben, rücken freiwillig zusammen, akzeptieren nicht nur, sondern goutieren schunkelnderweise engen Körperkontakt. Und lauschen ergriffen, wenn die Kastelruther Spatzen den Sonnenuntergang in den Dolomiten besingen – ganz egal, ob es sich um urbanes Jungvolk oder um ostdeutsche Pensionisten handelt. Das Leben in den Bergen als Inkarnation von Heile-Welt-Sehnsüchten eben, einer Welt, in der man sich mit Gröstl und Germknödeln stärkt und dabei keinen Gedanken an Cholesterinspiegel und Body-Mass-Index verschwenden muss.
Da die Berge aber für die meisten weit weg sind, erobern diese Oasen der alpinen Glückseligkeit auch die deutschen Großstädte im hohen Norden. Der bergsüchtige Stadtmensch hat die Wahl zwischen bodenständigen Gasthäusern und Stadtheurigen, szenigen Après-Ski-Hütten und stylish aufgebrezelten Edellokalitäten. Was genau österreichisch und was bayerisch ist? Ob das Burgenland weinlastig ist oder doch Tirol? Mit solchen Feinheiten hält sich der Städter kaum auf. Hier geht es um das allgemeine Lebensgefühl.
Auf ein Gulasch im Watzmann
Ein Klassiker ist das Wirtshaus Watzmann am Saseler Chaussee im Norden Hamburgs, das seine Gäste seit fast 20 Jahren mit Brettljause, Gulasch, Geselchtem und Mühlviertler Eiernocken versorgt. Dass der Watzmann eigentlich ein bayerischer Berg ist, stört hier an der Waterkant niemanden, außerdem hat diesen ja auch ein an Elbe und Alster bekannter Österreicher namens Ambros nachhaltig besungen. Im noblen Restaurant Aigner am Berliner Gendarmenmarkt, ausgestattet mit dem Jugendstilmobiliar eines Wiener Kaffeehauses, gibt es Wiener und Berliner Küche. Dort kann man sich ein steirisches Backhendl, für das westfälische Kikokhühner in den Ofen wandern, ebenso auftischen lassen wie eine Kürbiscremesuppe mit Zutaten vom Hokkaidokürbis. Zum rot-weiß-roten Establishment gehört auch das Restaurant Vogelweide, der wahrscheinlich einzige Stadtheurige im Berliner Stadtteil Wilmersdorf.
Für gehobene Feinspitze empfiehlt sich auch ein Ausflug ins Restaurant Wohlfahrt's in Charlottenburg oder in die Gastronomie von Sarah Wiener mit dem Speisezimmer in einer alten Lokfabrik in der Chausseestraße und dem Restaurant am Museum im Hamburger Bahnhof in der Berliner Invalidenstraße.
Die Almromantik wird in deutschen Metropolen gern als Exotik verkauft. Das funktioniert sogar im bergnahen München sehr gut, wie es das feine Fünfsternehotel Mandarin Oriental beweist, auf dessen Dach im Winter eine Almhütte steht: eine gefragte Eventlocation, in der die Gäste in Tracht bedient werden und sich Wiener Schnitzel und Kaiserschmarrn auftischen lassen können.
Für ein Schnitzel ins Puff
Auch beliebt: mit Klischees zu spielen, etwa im Sissi im Berliner Stadtteil Schöneberg, das mit rosa Tapeten und dicken Kronleuchtern ausgestattet ist. Spezialität des Hauses: die Sissi-Torte natürlich. Eine bekannte Dame ganz anderer Provenienz hat sich ein Wirt in Berlin Friedrichshain ausgesucht. Tradition und Trash nimmt das Mutzenbacher für sich in Anspruch. „Schnitzel Puff“ nennt sich das Lokal im Untertitel, bietet eine eher klassische Wirtshausküche und einige unkonventionelle Accessoires wie den glitzernden Disco-Schweinskopf an der Wand. Das Mutzenbacher ist der Paradiesvogel unter den Austrolokalitäten in der deutschen Hauptstadt, nachdem das legendäre und schräge No Kangaroo in Kreuzberg zurzeit geschlossen ist.
Dass die österreichische Esskultur nicht immer ganz puristisch zelebriert wird, zeigt auch ein Lokal in Hamburg. Im Nido am Binnenhafen wird austroasiatische Küche praktiziert, etwa in Form eines Sushi- und Schnitzelmenüs. Zuerst Fisch, dann Paniertes, zum Abschluss Kaiserschmarrn – aus dem Wok mit asiatischer Vanillesoße ...
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